Wirtschaftsstrafrecht
Das Wirtschaftsstrafrecht bildet einen
besonderen Teil des Strafrechts, bei welchem Rechtsgüter oder
Instrumente des Wirtschaftslebens betroffen oder missbraucht
werden und die Schutzgüter der Regelungen über das
Individualinteresse des wirtschaftenden Einzelnen hinausgehen
und die staatliche Wirtschaftsordnung und das Wirtschaftsleben
betreffen.
Ein einheitliches Wirtschaftsstrafrecht
existiert nicht; vielmehr sind die betreffenden Regelungen
sowohl im Strafgesetzbuch (StGB), als auch in diversen
Nebengesetzen zu finden. Einen Anhalts-
punkt für die
Vielfältigkeit des Wirtschaftsstrafrechts bildet der § 74 c
Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Diese Norm regelt unter anderem
die Zuständigkeit der Strafgerichte und schreibt in § 74 c Abs.
1 S. 1 vor, bei welchen Delikten eine Strafkammer als
Wirtschaftsstrafkammer zuständig ist, soweit zur Beurteilung des
Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich
sind.
Der Regelungskatalog des § 74 c Abs. 1 GVG
enthält insbesondere Delikte des gewerblichen Rechtsschutzes
(Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, Halbleiterschutzgesetz,
Sortenschutz-
gesetz, Markengesetz, Urheberrechtsgesetz, dem
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), von
wirtschaftsrechtlich geprägten Gesetzen (Insolvenzordnung,
Aktiengesetz, GmbHG, Handels-
gesetzbuch, Umwandlungsgesetz) sowie
solche des StGB (Betrug, Untreue, Bestechung, Vorent-
halten und
Veruntreuen von Arbeitsentgelt).
Daneben werden zum Wirtschaftsstrafrecht
unter anderem Delikte nach den Gesetzen über das Bank-, Depot-,
Börsen- und Kreditwesen, dem Außenwirtschaftsgesetz, dem Steuer-
und Zollrecht, dem Lebensmittelrecht sowie dem
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz gezählt.
Die Rechtsvorschriften des
Wirtschaftsstrafrechts unterscheiden zumeist nicht danach, ob
eine natürliche oder juristische Person handelt. Im
Wirtschaftsleben wird es insbesondere der Fall sein, dass
Unternehmen als juristische Personen handeln, für welche
wiederum natürlichen Per-
sonen tätig und letztlich verantwortlich
sind. Allerdings verlangen die Normen zumeist von dem im
Wirtschaftsleben Agierenden gewisse Handlungsformen oder
Unterlassungspflichten, sodass unabhängig
von der Rechtsform immer das Wirtschaftssubjekt betroffen ist.
Hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen (Sanktionen) sind
gegenüber juristischen Personen Grenzen derart gesetzt, dass
Begrifflichkeiten wie Vorsatz, Schuld und Strafe nicht
zutreffend sind. Folglich liegen entweder Straftaten mit
personellem Einschlag vor, es sind solche Strafvorschriften
betroffen, die sich auf eine Organwalterstellung beziehen oder
der Sachverhalt wird über die Zurechnungsnorm des § 14 StGB
geregelt werden.
Insolvenzstraftaten sind im weiteren Sinne
solche, die im Zusammenhang mit der bevorsteh-
enden oder
eingetretenen Insolvenz zum Nachteil von Gläubigern, Staat und
Dritten begangen werden. Bei den meisten Insolvenzdelikten setzt
das strafbare Verhalten
ein Handeln während oder nach einer Krise
voraus, wobei der Begriff „Krise“ als eine Zahlungsunfähigkeit,
eine Über-
schuldung oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit
anzusehen ist.
Die Insolvenzdelikte sind überwiegend
Sonderdelikte, so dass als Täter der Insolvenzverschleppung
zumeist Geschäfts-
führer einer GmbH, Vorstandsmitglieder einer AG
oder Genossenschaft oder die jeweiligen Liqui-
datoren der
Gesellschaft in Betracht kommen. Die Regelungen der
Insolvenzverschleppung (der Gesetzgeber verwendet diesen Begriff
als solches nicht) sind in den jeweiligen Fachgesetzen normiert,
wobei sowohl die vorsätzliche, als auch die fahrlässige
Begehungsweise strafbar ist. Die Strafandrohung bei
vorsätzlicher Verwirklichung liegt bei drei Jahren
Freiheitsstrafe oder Geld-
strafe; bei Fahrlässigkeit reduziert
sich die angedrohte Freiheitsstrafe auf ein Jahr.
Der Bankrott des § 283 StGB sieht hingegen
als Täterkreis diejenigen natürlichen Personen vor, welche die
Bankrotthandlung vornehmen oder eine geforderte
Handlungsunterlassen. Für juristische Personen richtet sich der
Täterkreis nach der jeweiligen Gesellschaftsform.
Das im StGB geregelte Wirtschaftsdelikt der
Untreue ist gem. § 266 StGB dann erfüllt, wenn jemand die ihm
durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft
eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder
einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft
Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines
Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde
Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem,
dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil
zufügt.
Häufiges und (schwerwiegendes) Delikt bei
Unternehmen in der Krise ist als Unterfall der Untreue und des
Betruges gem. § 266 a StGB das Vorenthalten und Veruntreuen von
Arbeitsentgelten und Sozialabgaben. Tauglicher Täter kann der
Arbeitgeber oder eine ihm gleichgestellte Person sein.
Arbeitgeber ist derjenige, der den Arbeitsablauf organisiert,
der gestaltend auf Arbeitsver-
hältnisse einwirkt und zur
Lohnzahlung verpflichtet ist.
Die wirtschaftlichen Delikte im Bankverkehr
liegen häufig im Missbrauch von Lastschriftverfahren, der
kriminellen Verwendung von Kredit- oder Geldkarten, der
missbräuchlichen Kreditvergabe sowie der Manipulation zur
Erlangung eines solchen.
Einen weiteren Anwendungsbereich des
Wirtschaftsstrafrechts stellt die Computerkriminalität dar.
Beim Computerbetrug gem. § 263 a StGB werden alle denkbaren
Manipulationshandlungen erfasst, welche einen spezifischen
(technischen) Bezug zu Computern haben und häufig nicht von der
Betrugsvorschrift des § 263 StGB erfasst werden. Hierunter sind
Fallgruppen der Fälschung und des Missbrauchs von ec-Karten,
die Verwendung von Dialer-Programmen sowie der häufig
vorkommende Missbrauch von Telekommunikationseinrichtungen zur
Erlangung von Daten zu fassen.
Eines der häufigsten Wirtschaftsdelikte
stellt die Verletzung von Markenrechten dar. Die sog.
Markenpiraten geben sich gegenüber Dritten als Markeninhaber
aus, obwohl alleine der Markeninhaber das Recht hat, das Zeichen
zu führen. Das Markengesetz enthält hierzu in den §§ 143 bis 145
entsprechende Strafvorschriften. Allerdings führen solche
Markenverletzungen häufig neben dem strafrechtlichen
Sanktionsanspruch zu zivilrechtlichen Schadens- oder
Unterlassungs-
ansprüchen, welche den Markenpiraten am
empfindlichsten treffen. Die Normen setzten allerdings das
Handeln im geschäftlichen Verkehr (und nicht nur im privaten
Bereich) voraus.
Verkehrsstrafrecht
Jeder, der in irgendeiner Weise am
Straßenverkehr teilnimmt, kann schnell in den Verdacht geraten,
eine Verkehrsstraftat verübt zu haben. Die häufigsten
Verkehrsstraftaten sind:
Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB),
Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB), gefähr-
licher
Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB), räuberischer
Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB), unerlaubtes Entfernen
vom Unfallort (§ 142 StGB), fahrlässige Tötung (§ 222 StGB),
fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), Nötigung (§ 240 StGB)
oder das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG).
Betäubungsmittelstrafrecht
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) stellt
das verbotene Herstellen, Handeltreiben, Abgegeben und Besitzen
der in Anlage 1 zu § 1 BtMG im einzelnen aufgeführten Drogen
unter empfindlichen Strafen. Schon der Besitz "weicher" Drogen
wird schon unter Strafe gestellt. Allerdings sieht das Gesetz
bei Herstellung, Erwerb oder Besitz kleiner Rauschgiftmengen,
welche lediglich dem Eigen-
gebrauch dienen, vor, dass von Strafe
abgesehen werden kann (§ 29 Abs. 5 BtMG). Für die schwersten
Taten, etwa das bandenmäßigen Handeltreiben oder das Bestimmen
von Jugend-
lichen zum Drogenhandel, sind Freiheitsstrafen
zwischen fünf und 15 Jahren vorgesehen (§ 30 a Abs. 2 Nr. 1 BtMG).
Jugendstrafrecht
Das Jugendstrafrecht findet für Jugendliche
und zum Teil auch für Heranwachsende Anwendung. Jugendlicher
ist, wer zur Zeit der Tat 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.
Heranwachsender ist, wer zur Zeit der Tat 18, aber noch nicht 21
Jahre alt ist. Auf einen Heranwachsenden ist Jugend-
strafrecht
anzuwenden, wenn er zur Zeit der Tat in seiner Entwicklung einem
Jugendlichen gleichstand oder es sich bei der Tat um eine
Jugendverfehlung handelt.
Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll
vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder
Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen,
sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen
Erziehungsrecht auch das Verfahren vorrangig am
Erziehungsgedanken auszurichten. Vor diesem Hintergrund stehen
im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht nicht die Geldstrafe und
die Freiheitsstrafe im Zentrum der richterlichen Entscheidung,
sondern vielmehr Erziehungs-
maßregeln (die Erteilung von
Weisungen und die Anordnung sowie Hilfe zur Erziehung) und
Zuchtmittel (die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen und der
Jugendarrest). Gemäß § 17 Abs. 2 JGG verhängt der Richter eine
Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des
Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind,
Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht
ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld eine Strafe
erforderlich ist. Dabei ist die Jugendstrafe so zu bemessen,
dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
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